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Geschichten vom Nordkap

Offroad Finnmark 300
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Christiane und Thomas Glöckner haben im hohen Norden ein Abenteuer gewagt, dass sie an ihre Grenzen gebracht hat. Den Bericht dazu findet Ihr hier:

"Donnerstag 17.00 Uhr, wir stehen ziemlich nervös im Startbereich. Es folgt die Präsentation der Teams. Jedes Team muss mit voller Ausrüstung und Bikes über eine Startrampe und beim Moderator ein paar Fragen beantworten. Die halbe Stadt scheint hier zu sein, es herrscht dichtes Gedränge auf dem Platz. Die Veranstaltung, die sich über fast zwei Wochen zieht, ist das sportliche Highlight hier oben im Sommer. Wir haben Startnummer 304 und sind somit ziemlich zeitig an der Reihe. Danach heißt es dann wieder warten, bis um 18.00 Uhr der Startschuss fällt.
Das Rennen ist in 6 Etappen unterteilt, und beginnt mit einem Prolog rund um Alta und ist eigentlich ein einziger Singletrail, der sich aber richtig gut fahren lässt. Wir sind die Etappe im Vorfeld auch bereits abgefahren und wissen, was uns erwartet. Leider hat der Regen der letzten 2 Tage den Kurs nicht einfacher gemacht. Nachdem das Führungs-ATV (All Terrain Vehicle) rausfährt, drehen die Norweger direkt durch und man könnte denken, dass nach den 26km Prolog schon das Ziel ist. Wir lassen uns nicht anstecken und fahren zügig unseren eigenen Tritt.
Bereits nach 5km sind wir komplett durchgeweicht, da hier oben das Regenwasser nicht abfließt, und sich in Pfützen bzw. Seen auf den Wegen sammelt. Zum Teil knietief.
Wir erreichen CP1, welcher wieder im Startbereich am Hotel ist, auf Platz 3 in der Mixed-Wertung liegend. Nun müssen mindestens 10 Minuten Pause gemacht werden, so schreibt es das Reglement vor. Zeit die Bikes von Schlamm zu befreien, Toilette, Flasche tauschen und dann gehts auch weiter.
Etappe zwei, insgesamt 75km lang, beginnt unspektakulär aus der Stadt hinaus, bis es auf einen nicht enden wollenden Trail in Richtung Wildnis geht. Auch diese ca 25km sind wir Tage zuvor schon abgefahren und hatten leichte Zweifel, ob das überhaupt machbar ist. Der Kurs führt durch Sumpf, durch Wasserlöcher, durch den Fluss selbst, rauf, runter, über Felsen. Einmal stehen wir bis zur Hüfte im Wasser. Aber, das Wasser ist klar. Und nicht allzu kalt, aber die Außentemperatur wird langsam unangenehm. Nachdem dieses Stück bezwungen ist, stehen insgesamt nun 50km auf dem Tacho. Und bereits 3:30h Fahrzeit. Viele der anderen Teams, mit denen wir vorher in Kontakt gekommen sind, bestätigen, dass die ersten 50km sehr schwierig sind und es danach einfacher wird. Mittlerweile lächle ich darüber.
Aber in der Tat, es folgen ca 10km auf Asphalt, bevor es einen normalen Feldweg auf das Plateau hochgeht. Wir haben uns geeinigt, an Anstiegen max 200W zu fahren. Das fühlt sich natürlich sehr langsam an, aber trotzdem überholen wir etliche andere Teams. Einige stehen sogar am Rand und machen Pause, um etwas zu essen. Keiner folgt uns, wir schauen uns an und fahren einfach weiter.
Es ist mittlerweile kurz vor 12 Uhr und durch die Bewölkung auch etwas duster. Irgendwann geht es mal links vom gut fahrbaren Hauptweg runter, und genau hier geht das Leiden los.
Nun heißt es strikt nach GPS fahren. Der „Weg“ ist ab jetzt die Spur von einem ATV, was da irgendwann mal lang gefahren ist. Pfützen, Schlaglöcher, Schlamm, felsiger Untergrund. Absolute Wildnis. Von Radfahren sind wir weit entfernt. Ständig stecken die Bikes bis zu den Naben im Schlamm, die Beine logischerweise auch. Zum Glück gehts im Wechsel auch durch Bäche und Flüsse, so dass das Material wieder sauber wird. Wir schauen uns von den Norwegern ab, wie die Strecke zu meistern ist und kommen so auch halbwegs durch. Hinzu kommt, dass es auch in Norwegen in den Bergen nachts kalt wird. Klitschnasse Füße und Temperaturen um den Gefrierpunkt sind nicht sehr hilfreich in dieser Phase.
Einzig die wirklich atemberaubende Landschaft entschädigt für die Anstrengungen. Allerdings fallen auch langsam die ersten milden Schimpfwörter… Wir sagen uns immer wieder, dass es nicht mehr weit bis zum nächsten Checkpoint ist, und kämpfen uns weiter durchs von den Einheimischen so genannte „Nomansland“. Andere wiederum sprachen von „Deathzone“. Im Nachhinein wäre es besser gewesen, hier schon mal zu stoppen und etwas zu essen, wir hätten ja genug in unseren Rucksäcken dabei gehabt.

Irgendwann spuckt uns die Wildnis wieder aus und wir landen nach 95km auf einer breiten Straße. Von hier sind es nun nur noch 5km bis zum Checkpoint. Allerdings habe ich zu diesem Zeitpunkt leichte Kopfschmerzen, und Christiane geht es ähnlich. Essen wird sicher helfen! Bei CP2 handelt es sich um eine Fjellstuje, Berghütte. Das sind kleine, traditionell eingerichtete Hütten, sehr liebevoll gestaltete Rasthäuser. Bei unsere Ankunft werden uns die Bikes förmlich aus der Hand gerissen, gekärchert und der Antrieb geschmiert. Was für ein toller Service!
Wir verschwinden also in der Hütte und auch hier stellt man uns heißen Kaffee, etwas Warmes zu essen, Wasser und noch vieles mehr auf den Tisch. Ich ziehe die völlig verdreckten Schuhe aus, und wechsle die Socken. Nebenbei wird gegessen. Auch hierhaben wir eigentlich nur die verpflichtenden 10min Pause vorgesehen, nehmen uns aber 15min Zeit bevor es weitergeht.

Sicherlich wäre es auch hier besser gewesen noch länger zu pausieren und mehr zu essen. Trinkrucksack und Flaschen füllen wir nicht bis zum Maximum auf, da es bis zum nächsten Checkpoint nur 50km sind. Nur…
Nach ca 2km geht es direkt scharf rechts vom Hauptweg runter und wieder in die Prärie. Kurz drauf folgt die nächste Flussquerung und meine frisch angezogenen Socken waren immerhin 10min trocken. Das Terrain wird immer schwieriger. 100m Radfahren, dann wieder Sumpf, Wasserlöcher. Mittlerweile irren wir auch völlig allein hier in der Wildnis umher, nur auf die Linie auf dem Garmin fixiert. Die Motivation sinkt, nach 20km dieser Etappe machen wir Pause, essen etwas aus dem Rucksack. Mücken. Ohne Ende. Wir sagen uns immer wieder, weiter Kämpfen. Am nächsten Checkpoint sind 60min Pause vorgesehen, frische Klamotten warten da, und eine heiße Dusche. Absoluter Höhepunkt ist eine Flussquerung, wo wir bis zum Bauchnabel im Wasser stehen. Die Bikes überm Kopf tragend. Die Stimmung sinkt. Christiane klagt über stärker werdende Kopfschmerzen. Ich dränge zum weiterfahren. Pausen wären besser gewesen. Mit zunehmender Renndauer schwinden dann auch die Kräfte im Allgemeinen. Der Rücken schmerzt uns beiden, durch die schweren Rucksäcke. Wir haben auch mittlerweile alles angezogen, was wir im Gepäck hatten. Regenjacke gegen den Wind, und obendrüber eine Daunenjacke gegen die Kälte. Finger? Tot. Füße? Seit etlichen km kein Gefühl mehr drin. Ich kann auch wirklich nicht mehr sagen, durch wieviel Sumpf wir noch gestapft sind, bevor wir nach insgesamt 147km wieder auf einer Straße landen. Aber ich kann sagen, dass das bisher das körperlich anstrengendste war, was ich erlebt habe. Diverse Stonemans, Chiemgau King, Bikeman, A Strecke Salzkammerguttrophy, alles kalter Kaffee. Peanuts sind das im Gegensatz zum Offroad Finnmark.

Um 5:30 erreichen wir CP3, eine Dorfschule im Örtchen Maze. Ich schnappe unsere Tasche mit frischen Klamotten und wir gehen ins Gebäude. Auch hier werden uns zuvor die Bikes wieder abgenommen, und ein Service durchgeführt. Es gibt Gemüsesuppe und Kaffee. Für Christiane eine Schmerztablette. Die Duschen sind leider weit entfernt von heiß, sondern eher eiskalt. Im ganzen Gebäude ist es irgendwie kalt. Trotz frischer Klamotten und Daunenjacke. Christiane versucht zu schlafen. Ich sitze völlig ko am Tisch, die Füße eingewickelt in ein Handtuch. Viele andere Teams folgen nach uns, und die sehen alle besser aus als wir. Ernsthafte Zweifel kommen auf. Zum ersten Mal spreche ich das Wort Aufgeben aus. Christiane lehnt ab. Wir beschließen definitiv länger Pause zu machen als vorgeschrieben ist. Ich esse noch etwas, fühle mich aber dennoch entkräftet. Ich checke die weitere Strecke. Es sind immerhin noch 150km, und laut Karte davon mindestens 110km Wildnis. Hochgerechnet bedeutet das noch mindestens 14-15 Stunden Fahrzeit. Wir diskutieren. Nach insgesamt 90min Pause entscheide ich auf Grund unserer beider schlechter körperlicher Verfassung, dass Rennen zu beenden.

Den Bericht schreibe ich nun eine Woche später. Wir haben viel überlegt, ob es richtig war aufzugeben. Ein DNF ist scheisse, und nicht mehr zu ändern. Vielleicht hätten wir es mit maximaler Anstrengung, 110%, All-In, wie auch immer schaffen können. Wer weiß.
Aber die Entscheidung habe ich in diesem Moment getroffen, und hielt es für richtig. Fakt ist, dass wir hier in der Wildnis viel gelernt haben. Zusammen schafft man sehr viel, kann deutlich über seine Grenzen hinaus gehen. Wir wissen, was wir beim nächsten Mal an uns sowie auch am Material besser machen müssen.

There is some unfinished Business, that has to be done up north.
Viele Grüße ABV & Chrissi."

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